“Du weißt da gar nicht, wohin mit deiner Energie.”

Ein Gespräch mit Kettcar-Gitarrist Erik Langer (2.v.l.)

Zehn Jahre liegen zwischen dem ersten Kettcar-Album “Du und wieviel von deinen Freunden” und der aktuellen Veröffentlichung “Zwischen den Runden”. In diesem Zeitraum ist die Band, und mit ihr deutschsprachige Musik, immer größer und massenkompatibler geworden. Aber auch das Musikbusiness und Hörgewohnheiten der Konsumenten wurden mit dem Siegeszug des Internets in nur einem Jahrzehnt umgewälzt. Vor ihrem Konzert im Kölner E-Werk haben wir uns mit Kettcar-Gitarrist Erik Langer über diesen Wandel unterhalten.

Haben die hohen Chartplatzierungen eurer letzten Alben, eure Arbeit verändert?
Schwer zu sagen. “Zwischen den Runden“ ist jetzt unsere dritte Platte, die auf Platz 5 eingestiegen ist. Dies freut uns und wir sehen das als Bestätigung dafür, dass die Leute weiterhin Interesse an uns und unserer Musik haben. Aber wir versuchen jetzt nicht, unsere Musik danach auszurichten, dass es nächstes Mal vielleicht auf Platz 1 geht. Darum geht es bei der Band Kettcar nicht.

Den Massengeschmack habt ihr bei den Aufnahmen also nicht im Hinterkopf?
Wir versuchen jetzt nicht auf Teufel komm raus, besonders sperrig zu sein. Aber wenn wir das Gefühl haben, dass der Song das braucht, dann kommt da auch mal so ein Part rein, der nicht unbedingt dazu dient, den Song mehr in Richtung Single zu schieben. Wenn du dir das zum Beispiel bei “Rettung”, dem ersten Song unseres aktuellen Albums, anhörst, gibt es da auf einmal so einen Break und da kommt so ein Elektro-Part, bei dem jeder Produzent sagen würde: „Also Leute, das ist eigentlich ein toller Song, aber so etwas könnt ihr nicht bringen. Das ist zu krass.“ Und wir machen das trotzdem, weil wir da Bock drauf haben.

Ihr habt zu allen Songs von “Zwischen den Runden” auch ein Video veröffentlicht und seid in den sozialen Netzwerken sehr aktiv. Gehört das mittlerweile dazu, zu jeder neuen Platte, diese Aufmerksamkeit zu generieren?
Ja, das gehört dazu. Wir haben schon immer mit den neuen Medien gearbeitet. Als wir 2002 unsere erste EP “So lange die dicke Frau noch singt, ist die Oper nicht zu Ende” ins Internet gestellt haben, waren wir grade noch im Studio. Auf diese ersten vier Stücke haben wir so schon sehr viel Feedback bekommen. Das war also schon immer ein Teil der Band.

Die Verschmelzung von Musik und Internet kommt euch dann ja eigentlich entgegen.
Ja, das kann man so sagen. Auch wenn es natürlich manchmal schöner wäre, mehr Tonträger verkaufen zu können, da wir ja mit “Grand Hotel van Cleef” auch ein eigenes Label haben, das zwei von uns zusammen mit Thees Uhlmann betreiben. Da willst du natürlich auch Platten verkaufen und das wird weniger. Aber das Interesse an der Musik, an der Band, wird nicht weniger und das ist das Wichtigste.

Seit eurem ersten Album hat sich einiges in der deutschsprachige Musik getan. Welchen Einfluss hat eurer Meinung nach “Du und wieviel von deinen Freunden” darauf gehabt?
Vielleicht kann man schon von einem gewissen Einfluss sprechen. Wir kriegen das schon auch mit, dass andere Musiker sich auf uns berufen und auch Stücke von uns live spielen. Das freut und ehrt uns natürlich. Aber ich würde sagen, wenn man das von uns sagt, dann muss man da auch ganz viele andere Bands nennen, die teilweise auch noch einen viel größeren Einfluss auf die heutige deutschsprachige Musikszene hatten.

Beobachtet ihr denn die deutsche Musikszene? 
Wir beobachten das relativ intensiv. Das kommt natürlich auch aufgrund des Labels, dass du da auch immer schaust, was los ist und ob es nicht irgendetwas gibt, was zum Label passen würde. Wir sind auch stets auf der Suche nach Vorbands, die uns interessieren oder begeistern. Allein aus diesen Gründen muss man immer dabei sein. Und natürlich auch aus privaten Interessen.

Seid ihr zufrieden mit dem, was man aktuell so hört?
Tatsächlich ist grade eine ganz gute Zeit. Ich hab auch manchmal anders gedacht und nur englischsprachige Bands gehört. Aber das ist zurzeit gar nicht so. Ich hab das Gefühl es gibt momentan Interessantes und Unterschiedliches da draußen: Moritz Krämer, Gisbert zu Knyphausen natürlich, der ja schon lange kein Geheimtipp mehr ist, oder Vierkanttretlager, die einen eigenen Stil haben. Auch jüngere, kleinere Bands: Findus, auch aus Hamburg und Frau Potz. Letztere haben eine Platte veröffentlicht, die wieder in eine andere Richtung geht und ein bisschen raueren, punkigeren Charme hat, aber auch sehr interessant ist. Da gibt es auf einem relativ breiten Spektrum ziemlich viele neue Gesichter.

Hat sich euer Tourleben in den letzten zehn Jahren verändert? 
Ja, natürlich. Wir reisen heute mit einem Doppeldeckerbus von Stadt zu Stadt und sind, glaube ich, 18 Leute mit Busfahrer und LKW-Fahrer. Wir haben einen 40-Tonner dabei, in dem auch die ganze Produktion drin ist. Das ist also alles wahnsinnig gewachsen. Wir spielen in großen Hallen und das war früher natürlich ganz anders. Aber ich glaube keiner von uns möchte das missen, auch wenn manchmal die Katzen des Veranstalters genervt haben, in dessen Küche man pennen musste. Aber da sind auch Sachen, die wertvoll sind und mit denen man vielleicht sogar einfacher seinen Frieden machen kann, wenn man sieht, wo uns das hingebracht hat.

Ist das Publikum im Laufe der Zeit denn ein anderes geworden? 
Schwer zu sagen. Wenn wir heute Abend von der Bühne aus fragen, wer bei unserem ersten Konzert im “Underground” (ein Club in Köln, Anm. des Autors) dabei war, dann werden sich wahrscheinlich sehr wenige Menschen melden. Insofern hat sich da schon was getan. Aber egal, ob du vor 200 Leuten spielst oder vor 2000, entweder schaffst du es, die Leute zu erreichen und mitzunehmen oder es klappt nicht. Und das war früher so, das ist heute so. Bei Festivals haben wir das auch schon ganz selten mal, dass wir vor 15.000 Leuten gespielt haben und da tatsächlich auch so etwas Spezielles entstanden ist. Und da erschlägt es einen wirklich. Du weißt da gar nicht, wohin mit deiner Energie.

Vor einigen Jahren habt ihr auf dem Dach des Schauspielhauses in Hamburg gespielt, ihr habt ein Konzert auf einem Schiff  gegeben oder seid mit dem Sonnenaufgang aufgetreten. Sind diese außergewöhnlichen Konzerte wichtig für euch?
Das macht uns Freude so etwas zu überlegen, zu planen und dann zu merken, dass das klappt und die Leute total Spaß daran haben. Bei diesen Konzerten, die du angesprochen hast, hatte jedes einen speziellen Aspekt, den die Leute so vorher nicht kannten. Als wir beim Schauspielhaus gespielt haben, wurde das übers Radio in Hamburg kommuniziert und es gab dann so eine Art Schnitzeljagd. Keiner wusste genau, wo wir spielen, nur dass es irgendwo in der City sein muss. Plötzlich bogen da 2000 Leute um die Ecke und wir konnten die aus der Ferne schon sehen, ein unfassbares Bild. Das sind so Sachen, die wir nie vergessen werden und für die Leute, die dabei waren, war das ebenso ein besonderes Konzert.

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                                                                                                           Florian Tomaszewski