365 tolle Tage: “Der Spaß muss aus jeder Zeile tropfen”

Ein Gespräch über deutschen Humor und den Versuch, mit einer netten Idee verschlossene Türen einzurennen.

Deutschland, Stätte der Tollkühnen, Heimat des subtilen Humors. Deutsches Land, Republik der Eloquenz, Sozialsatire und Popkultur. Oder vielleicht doch vielmehr so: Deutschland, Stätte der Vertrottelten, Heimat von Gags über Männer und Frauen. Die deutsche Republik eine einzige Sketchrevue und freitagabends wird auf Sat. 1 gekichert. In die Stadien, auf die Straße, durch den Keller und vor den Fernseher: In unserer Reihe “365 tolle Tage” sehen wir, wohin uns das deutsche Humorverständnis führt.

Den Anfang macht ein Gespräch mit Chris Pfeiler, der vor einigen Jahren den Versuch unternahm, eine deutsche Animationsserie mit Witz und Hintersinn für Erwachsene zu etablieren. Erfolglos.

“Bruchbach” ist ein Comic. Ursprünglich war aber mehr geplant, oder?
Chris Pfeiler Ganz ursprünglich war sogar weniger geplant, denn es war eigentlich nur ein theoretisches Fanprojekt, geboren im Internet. Es entstand die Idee, einfach mal auszuarbeiten, wie eine deutsche Animationsserie aussehen könnte, die auf dem Humor der klassischen “Simpsons” der frühen 90er Jahre aufbaut. Als das Projekt immer umfangreichere Formen annahm, wurde dann vorgeschlagen, es TV-Sendern und Produktionsfirmen zur Umsetzung vorzulegen.

Wie hat sich das Projekt entwickelt?
Am Anfang gab es nur ein theoretisches Konzept, das sich vielleicht auch zu stark auf Serien wie “Die Simpsons” oder “Futurama” bezog. Im Laufe von neun Jahren hat sich einiges verändert, inzwischen existieren 174 teilweise sehr umfangreiche Storyideen plus mehrere Episodenskripte in Drehbuchform und natürlich auch der Comic. Auch von der Komplexität der Story und der Charaktere her hat sich vieles getan, mittlerweile gibt es eine weitverzweigte Mythologie und allerlei mehr.

Was waren die Ziele dahinter?
Im Grunde waren es die Ansprüche, eine Serie zu schaffen, die Deutschland, Europa und der Welt auf subtile Weise den satirischen Spiegel vorhält und dabei Themen kritisch aufgreift. Gleichzeitig aber auch, die Charaktere und Protagonisten ernst zu nehmen und deren “Innenleben” zu respektieren – keine Serie also, die nur bunten Spaß und Satire serviert.

Wie Du sagst, beziehen sich Humor, das Selbstreferentielle und auch die Umsetzung auf Vorbilder aus dem angelsächsischen Raum. Wie leicht ist es Dir gefallen, das alles auf deutsche Verhältnisse zu übertragen?
Das war ein schwieriges Thema, und ich denke, dass es mir auch nicht immer ganz gelungen ist. Viele Ideen und Referenzen sind doch stark vom internationalen und speziell amerikanischen Kulturkreis beeinflusst. Ich habe immer versucht, hier ein wenig Balance reinzubringen. Was ich vermeiden wollte, waren popkulturelle Zitate zu kurzlebigen Medienhypes. Anders gesagt: lieber ein Zitat aus einem amerikanischen Film der 70er Jahre, als ein schnelles Zitat auf die neueste “deutsche” RTL-Realityshow. Ob mir damit eine eigene Identität der Serie immer ganz gelungen ist, kann ich nur schwer sagen. Davon muss man sich als Leser selbst ein Bild machen.

Wie hast Du den Kontakt zu Interessenten für Dein Projekt gesucht und gefunden?
Ursprünglich natürlich über das Internet. Dann wurde das Konzept in gedruckter Form TV-Sendern vorgelegt. Weitere Kontakte entstanden über Webseiten, mit Drehbuchautoren und Produktionsfirmen von Animationsserien. Später ergab sich die Idee, Folgen kostengünstiger als Hörspiel umzusetzen. Dafür wurden Kontakte in entsprechenden Foren und per Mail bei Radiosendern gesucht. Leider führte keine dieser Ideen zu einem Erfolg. Einen interessierten Comiczeichner fand ich schließlich 2005 über eine Anzeige, wobei sich dann die Suche nach einem Verlag wieder als schwierig herausstellte. Schließlich wurden wir fündig und inzwischen sind drei Ausgaben in Comic-Form erschienen.

Warum war es so schwer, für Dein Projekt zu begeistern?
Generell war es wohl die trockene Natur des Konzepts und die Vielschichtigkeit des Formats dahinter. Ein Produzent schrieb zurück, dass das alles anders gestaltet werden muss und dass der “Spaß aus jeder Zeile tropfen muss”, wenn man überhaupt Aufmerksamkeit bekommen möchte. Es kamen nur sehr selten Reaktionen und wenn, dann zielte es meist darauf ab, dass sich Animation hierzulande nur verkaufen ließe, wenn sie entweder kindgerecht oder zumindest irgendwie bunt und lustig ist. Ernsthafte Stories? Fragen und “moralischer Lernkram”? Respekt für Charaktere? Keine Chance. Das wäre zu ändern, oder aber ich würde mir alle Chancen verbauen. Einige Drehbuchautoren schrieben auch als Antwort, dass man ohne einen Namen auf dem Markt sowieso keine Chance hätte.

Wie aufgeschlossen ist das deutsche Publikum der Art Satire, die Du machst?
Das ist schwer zu sagen, weil die Stories bisher kaum das deutsche Publikum erreichen. Würde das Publikum anders reagieren, als es erfahrene Produzenten abschätzen, die das Format als untauglich für eine Realisierung betrachten? Wer hat auf dem deutschen Markt schon von einer erfolgreichen Trickserie gehört, die ihren Humor aus subtilen Quellen bezieht und ihre Charaktere als “real” betrachtet? Der Comic verkauft sich schleppend und ein umfangreicheres Buch, dass ich 2011 mit detaillierten Hintergrundinfos herausgebracht habe, noch schleppender. Andererseits höre ich öfters von treuen Lesern, dass ihnen diese oder jene Idee oder Drehbuch sehr gut gefallen haben und dass sie in jedem Fall eine entsprechende Serie anschauen würden.

Anders gefragt: Kann deutsche “animated Sitcom” funktionieren?
Ich denke, dass sie funktionieren kann, wenn man richtig herangeht. Dabei erscheint mir aber der Ansatz falsch, dass “der Spaß aus jeder Zeile tropfen muss”. Gerade im Bereich Animation empfinde ich das auch als typisch deutsch. Gute Sitcoms funktionieren dadurch, dass sie auch einmal den Humor zurücknehmen oder gar den Zuschauer fordern, wenn es notwendig ist. Animation hat hierzulande aber den Ruf von Kinderprogramm oder leichter Berieselung. Während die originalen Simpsons-Sprecher in den USA vor Filmstudenten über ihre Arbeit diskutieren, tauchen die deutschen Sprecher in Radiosendungen auf und machen dort den lustigen Homer für einen Gag. So was zeigt immer auch den Stellenwert, den ein Format hat.

Glaubst Du, dass eine “deutsche Animationsserie als komplexe Satire” hierzulande eine Chance bekommt?
Das bleibt abzuwarten. Vielleicht wird es eines Tages jemand mit einem “Namen” schaffen, ein entsprechendes Format auf den Markt zu bringen. Das wird sicher nicht ohne Anpassungen an deutsche Gegebenheiten möglich sein, aber ich würde mich dann natürlich freuen, wenn ich Spuren von meinen Ideen und Absichten in einer realen Serie entdecken könnte.

> Website des Projekts “Bruchbach Serenade”

Das Gespräch führte Sven Job