Ein Bericht über das “Festival Großes Fernsehen” im Kölner Cinedom.
Eckige Augen, bucklige Haltung, glasiger Blick. All eure Warnungen haben nichts gebracht: Wir lieben das Fernsehen und es liebt uns. Schließlich versorgt es uns seit Jahren, neben Trash und Abseitigem, mit Material von hervorragender Qualität. Natürlich ist es auch hier hilfreich, an die Hand genommen zu werden, aber dafür sind wir von LAWINE ja da. Auf dem “Festival Großes Fernsehen” im Kölner Cinedom haben wir uns am letzten Wochenende für euch umgeschaut.
So richtig glanzvoll war der Einstieg in das Festival mit der amerikanischen Dokumentation “Der Vietnamkrieg. Trauma einer Generation” dann aber doch nicht. Der erste Teil einer dreiteiligen Reihe bietet ausnahmslos dröhnende Gefechtsbilder, strategische Erläuterungen zu Feindbewegungen und Flankenschutz inklusive. Der Krieg als edle Pflichterfüllung mit Sätzen wie “Diese Männer waren die besten Soldaten, die ich kennenlernen durfte.” Atemlos werden Archivaufnahmen aneinandergereiht, sodass eine Einordnung für den Zuschauer kaum möglich ist. Eine unkritische und einseitige Dokumentation, an der Doug Heffernan, mit einem Sixpack-Bier auf der Wampe, seine helle Freude haben dürfte.
Besser wurde es am Freitag, der sich dem Seriengenre widmete und dementsprechend gut besucht war. Mit “House Of Lies” zeigte man ein versautes Stück über Kapitalismus in Amerika, in dem Don Cheadle den Chef einer kleinen Gruppe von Unternehmensberatern spielt, die es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen und zwischen Flughafen und Büro immer noch Zeit für den Stripclub finden. Die Protagonisten des Big Business sind hier vor allem eins: schwanzgesteuert. Die Showtime-Serie überrascht mit visuellen Spielereien und steckt voller Witz. Natürlich alles jenseits jeglicher political correctness, auch wenn die Läuterung von Cheadles Figur schon am Ende der ersten Folge angedeutet wird.
Mit Spannung erwartet wurde die Pilotfolge der HBO-Produktion “Luck”, deren Setting eine Pferderennbahn in Los Angeles ist und die mit Dustin Hoffmann und Nick Nolte erstklassig besetzt ist. Ebenso versammeln sich hinter der Kamera große Namen, stammt die Serie doch aus der Feder von David Milch (“Deadwood”) und wird unter anderem von Michael Mann produziert, visionärer Schöpfer von “Miami Vice” und Kinofilmen wie “Heat” oder “Insider”. Dass er auch die Regie des Piloten übernahm wundert nicht, schließlich spielt “Luck” in der Welt der Zocker und Kleinkriminellen, klassisches Mann-Land also. Wie bei ihm üblich, ist auch dies eine Welt voller Testosteron, in der Frauen nur eine hübsche Beigabe sind. Und das, obwohl es doch um Pferde geht. Michael Mann jedoch filmt die Körper der Tiere, ihre pumpenden Muskeln und schweißnasse Haut, wie edle und PS-starke Karossen. Auch die beeindruckenden Aufnahmen der Pferderennen erinnern an die Duelle von Rennwagen und machen diese Szenen zu einem absoluten Highlight von “Luck”. Eine zweite Staffel wurde von HBO bereits in Auftrag gegeben, nach dem Tod von drei Pferden am Set aber wieder rückgängig gemacht. Die erste Staffel wird damit wohl die einzige bleiben.
Bereits in ihrer vierten Staffel läuft die französische Kriminalserie “Engrenages”, wobei in Köln die erste Folge der dritten Staffel gezeigt wurde. Eine realistische Polizeiserie, von der man gerne mehr sehen würde, auch wenn manch einem Zuschauer aufgrund der anatomischen Genauigkeit einiger Szenen das Popcorn im Hals stecken blieb. Aber schließlich geht es hier auch um die Jagd auf einen Serienkiller und die ist mehr als spannend umgesetzt.
Nach langem Hin und Her ist es den Machern des Festivals schließlich gelungen, mit “Homeland” einen absoluten Hochkaräter ins Programm zu bringen. Die Showtime-Serie gilt als einer der gelungensten Neustarts der vergangenen Saison und scheint dieses Prädikat, zumindest nach Sichtung der ersten Folge, auch zu verdienen. Lose auf der israelischen Serie “Hatufim – Prisoners Of War” basierend, erzählt “Homeland” von der Heimkehr des Marine-Soldaten Nicholas Brody (Damian Lewis), der im Irak acht Jahre lang als verschollen galt. Nur CIA-Agentin Carie Mathison (Claire Danes) glaubt die Heldengeschichte nicht und vermutet in Brody einen Schläfer, der einen Angriff auf Amerika plant. “Homeland” beschreibt ein paranoid gewordenes Volk und seine Sehnsucht nach Helden. In diesem Jahr bereits mit einem Golden Globe ausgezeichnet, hat sich ProSiebenSat1 die Rechte gesichert, ein Starttermin steht jedoch noch nicht fest.
Das Festival konnte in diesem Jahr einen Publikumsrekord vermelden und beweist: Fernsehen ist ganz großes Kino.
Florian Tomaszewski