Die Presse-Kolumne: Winterzeitzeit ist Lesezeit. Wir testen, was man so lesen kann: die Guten, die Schlechten & die Abseitigen.
Ein Magazin über TV-Serien. Ist da tatsächlich noch niemand vorher drauf gekommen? Schließlich weiß mittlerweile jeder um die Qualität des Genres, wobei hier hauptsächlich der amerikanische, aber immer mehr auch der britische Markt gemeint ist. Serien wie “The Sopranos”, “The Wire” oder auch “Lost” haben längst ihren festen Platz in der Historie der Pop-Kultur und auf einer langweiligen Party muss man nur das Ende der letzten “Breaking Bad”-Staffel erwähnen und es kommt Leben in die Bude.
Umso größer eben die Verwunderung, dass sich bis jetzt kein vernünftiges Print-Magazin zu dem Thema finden ließ. Die Tiefgründigkeit vieler Serien sowie das Angebot an aktuellen Veröffentlichungen und Re-Releases bieten ja ausreichend Stoff. “torrent”, das “Magazin für serielles Erzählen”, wie es im Untertitel heißt, will das jetzt ändern. Das Heft wird fast im Alleingang von Marcus Kirzynowski gestemmt, der uns in einem Gespräch mehr über seine Arbeit verraten hat.
Wie bist du darauf gekommen, ein Magazin zu veröffentlichen, das sich mit TV-Serien auseinandersetzt?
Ich hab schon öfter mit dem Gedanken gespielt, ein eigenes Magazin zu machen. Mir fehlte allerdings noch ein Thema, weil es ja zu jedem Hobby und Interessengebiet schon mindestens zwei Magazine gibt. Ungefähr vor einem Jahr fiel mir dann auf, dass es zu Fernsehserien keine hintergründige Zeitschrift gibt. Nichts was sich eingehender mit dem Thema beschäftigt. Da kam halt die Idee, das mal selber zu machen.
Du bringst “torrent” ja fast im Alleingang auf den Markt. Die meisten Texte stammen von dir, du bist für den Verlag und den Internetauftritt verantwortlich.
Die redaktionelle Arbeit an sich geht ja noch. Dass ich momentan auch für die Versendung von Beleg- und Rezensionsexemplaren verantwortlich bin, ist schon schwieriger. Aber das Magazin soll ja nicht monatlich erscheinen, sonst könnte ich das alleine ja überhaupt nicht packen. Inhaltlich hoffe ich natürlich schon, dass noch andere Autoren hinzukommen, so dass ich nicht mehr den Großteil selber schreiben muss. Das war auch gar nicht so geplant und ist eher dem Umstand geschuldet, dass “torrent” ein sehr spezielles Thema bearbeitet und man nicht unbedingt eine große Anzahl freier Journalisten kennt, die sich erstklassig mit Fernsehserien auskennen. Einige Anfragen von Autoren, die in Zukunft gerne was schreiben würden, sind jetzt aber schon gekommen. Ich hoffe natürlich auch, dass die Vielschichtigkeit der Stimmen und Meinungen damit etwas breiter wird, denn das macht ein Magazin ja auch aus.
Wie kriegst du es hin, dass man im Heft kaum Werbeanzeigen findet?
Langfristig wird es ohne Werbung wohl nicht machbar sein, es sei denn die Leute reißen mir das Magazin jetzt aus der Hand. Wir haben natürlich schon versucht Anzeigenkunden zu finden, hauptsächlich die DVD-Label, die auch Serienboxen veröffentlichen, aber auch Verlage, die Bücher zum Thema im Programm haben. Aber die waren alle sehr zurückhaltend und fragten zuerst, wie viel man denn von dem Heft verkaufe und wollten konkrete Zahlen hören. Aber das kann ich natürlich nicht sagen, bevor ich die erste Ausgabe überhaupt veröffentlicht habe. Ich finde das etwas schade, denn eigentlich müssten die ja auch ein Interesse daran haben, dass sich ein Magazin zu dem Themengebiet erst einmal auf dem Markt etablieren kann. Ich hoffe aber, bei der zweiten Ausgabe auf mehr Bereitschaft zu stoßen.
Wo würdest du dein Magazin denn am liebsten einsortiert sehen wenn du jetzt in eine Zeitschriftenhandlung gehst?
Viele posten ja schon bei Facebook, an welchen obskuren Stellen sie es schon gefunden haben. Zwischen “Cicero” und “Titanic”. Da ist es natürlich eher am fehl am Platz. Auch bei den ganzen Fernsehprogrammzeitschriften passt es, glaube ich, nicht so richtig hin. Ich würde es am ehesten bei den Filmzeitschriften sehen, denn im Prinzip ist es ja eine, nur halt nicht über Kinofilme, sondern über Fernsehserien.
An welche Zielgruppe richtet sich denn “torrent”?
Zum einen natürlich an die Leute, die sich ganz konzentriert Serien angucken. Die sich dann auch diejenigen, die sie wirklich sehen wollen, als DVD-Box kaufen und innerhalb von ein paar Tagen ganze Staffeln weggucken. Und natürlich auch an die Leute, die an neuen englischsprachigen Serien interessiert sind und nicht unbedingt darauf warten wollen, dass die dann in einigen Jahren mal von einem deutschen Free-TV-Sender eingekauft werden. Also an Leute, die sich beispielsweise auf serienjunkies.de informieren, wo ja auch gleichberechtigt über Serien geschrieben wird, die jetzt bei ProSieben laufen, wie auch über solche, die gerade erst in den USA gestartet sind.
Mit “Hell On Wheels” berichtest du ja auch über eine Serie, bei der noch gar nicht klar ist, ob und in welcher Form man diese mal in Deutschland zu sehen bekommt.
Ich sehe diese Trennung nicht mehr. Die Zeiten sind doch vorbei, in denen man darauf angewiesen war, das zu gucken, was für das deutsche Fernsehen eingekauft wurde. Auf DVD kommen die Sachen ja sowieso raus, dann halt nur in England oder Amerika, und spätesten dann kann man sich diese ja über diverse Händler bestellen. Und da ohnehin viele Serienfans Serien im Original sehen wollen und gar keinen Werte auf eine deutsche Synchronisation legen, ist das glaube ich auch schon eine Selbstverständlichkeit. Das Konzept, nur über das zu schreiben, was jetzt auch bei einem deutschen Sender läuft, das halte ich für gar nicht mehr zeitgemäß.
Da würde es ja inhaltlich auch schnell aufgebraucht sein.
Genau. Vor allem, weil von den komplexen Serien, auf denen der Hauptfokus von “torrent” liegen soll, kaum etwas im deutschen Free-TV läuft. Abgesehen von “Breaking Bad”, “Mad Men” und wenigen anderen, laufen die dann ja auch im Pay-TV, irgendwo bei “Fox Channel” oder “TNT Serie”. Aber halt nicht frei empfangbar.
In der ersten Ausgabe von “torrent” geht es hauptsächlich um die Leute hinter der Kulisse, weniger um die Schauspieler.
Das war jetzt eher Zufall. Grundsätzlich finde ich es schon interessant, wie so eine Serie entsteht. Also den ganzen Prozess, der sie überhaupt mal auf den Bildschirm bringt. Insofern ist das schon ein fester Bestandteil, dass man auch ein fünfseitiges Portrait von einem Showrunner oder einem Drehbuchautoren macht. Ich würde jetzt aber auch nicht nein sagen, wenn uns ein toller Serienschauspieler ein Interview geben würde.
Zum Schluss würde mich interessieren, welche Serien du aktuell empfehlen kannst?
Das sind schon zwei, die wir auch im aktuellen Heft behandeln. Einmal “Homeland” natürlich, die ich für den besten Neustart der letzten zwei Jahre halte. Im Stil von “Mad Men” wird hier sehr subtil erzählt. Man weiß eigentlich nie so genau, welcher Charakter gut und welcher böse ist. Das ist alles ganz ambivalent und moralisch uneindeutig. Die Serie finde ich schon ziemlich toll. Zum anderen “Shameless”, die US-Adaption einer britischen Vorlage. Da kann man ein bisschen drüber schmunzeln und gleichzeitig wird auch die soziale Realität der amerikanischen Unterschicht thematisiert, aber eben auf so eine ganz lockere Art. Die Figuren stehen immer mit einem Fuß im Knast und mit dem anderen im Sozialbetrug und trotzdem werden die dadurch nicht unsympathisch. Eine sehr erfrischende Serie.
Die erste Ausgabe von “torrent” ist bereits im Bahnhofsbuchhandel erhältlich.
Florian Tomaszewski