Das Musikvideo ist – vielleicht mehr noch als der begleitende Song dazu – heute nur noch als Surrogat vergangener Zeiten zu verstehen. Im neuen heißen Scheiß der Gegenwart wird einfach alles versatzstückt, zitiert und neu zusammengesetzt.
Das beschränkt sich schon lange nicht mehr auf Madonna und Konsorten, noch nicht mal auf diejenigen, die sich knapp unter dem Wasserspiegel von Massengeschmack und Großbeschallung bewegen (wie etwa Diplo und seine liebevollen Reminiszenzen an alles, was mal war, ob nun Blaxploitation und Pulp Comics, 80s Synths undsofort). Nein, es hat seit 2001 und Zoot Woman auch alle erfasst, die sich nur noch im Internet bewegen und seit ein paar Jahren ihre Musik am iPad zusammendrücken. Wie etwa Grimes. Oder Magik. Die Videos dazu? Lassen alle Zügel los, und orientieren sich doch unglaublich nahe an den goldenen Zeiten von Spaß, Schaumwein und geilem, ungezügelten Konsum. Bears In Heaven geben hierzu ihr Diplom ab, und das geht so:
Fokus auf den weiblichen Körper: check. Accessoires unbedingt erforderlich. Hintergründe, die von rot zu blau übergehen, können nicht schaden. Stilvolle Dekadenz im Vordergrund. Pastelltöne. Der weibliche Körper, mal Business, mal Unterwäsche. Elegische Gesten und devotes Spiel. Im Hintergrund ist Musik.
Wo ist der Deinhard?
Erinnert sich noch jemand an die Werbung für Deinhard? Die Legende besagt, dass nach der Wiedervereinigung ein Werbespot für Sekt die Nation aufs Neue spaltete; die Westdeutschen waren Zielgruppe dieser lustvoll zur Schau gestellten Individualisierung, bei der ein blondes Vollweib ein Schlagzeug zerstört, die Ostdeutschen waren einfach nur entsetzt: diese Zerstörungswut, dieses destruktive Verhalten! Jedenfalls ist auch das perlende Getränk der Reichen und Schönen wieder da, im Video zu “Sinful Nature”.
Das nächste Mal sprechen wir dann über Outrun Electro, Dreamwave and Chillwave. Die 80er, gebrochen. Versprochen.
Sven Job