“Ist hier jemand, der für das Berlin-Festival arbeitet?” Natürlich richtet sich die Frage, ausgerufen von einer Person, die für den reibungslosen Ablauf des Festivals mit hoher Wahrscheinlichkeit eine gewichtige Rolle spielt, an mögliche Crew-Mitglieder in der Menschenschlange. Also an Personen, die während der nächsten drei Tage Scheinwerfer ausrichten, Bühnenbilder auf- und abbauen oder Bier zapfen. Keiner der Schlangensteher meldet sich auf die ihnen entgegengeschleuderte Frage, stattdessen blicken alle etwas beschämt nach oben. Schließlich wartet der Großteil der Menschen in diesem Moment auf sein Pressebändchen, um dann nichts anderes zu tun als die ca. 20 000 Besucher: Konzerte anschauen, Bier trinken, Konzerte anschauen. Später versuchen sie dann ihr Gekrakel zu entziffern, denn offiziell sind sie ja doch hier um, irgendwie ja doch, zu arbeiten. Unsere Notizen sind zum Glück noch leserlich. Zumindest stellenweise.
It’s my flughafen, and I rave if I want to
Vor der beeindruckenden Kulisse, wenn man das überhaupt sagen darf, des beeindruckend wahnsinnigen NS-Monuments Flughafen Tempelhof, versammelt sich also das Volk, um einem der letzten Festivals der Saison beizuwohnen. Durch die Abfertigungshalle gelangt man in den mit Buden und Bühnen vollgestellten Außenbereich. Ein bisschen Kirmes und ein bisschen Gauklermarkt, alles was der Festivalbesucher heute so erwartet. Oder wie es auf T-Shirts am Merch-Stand so schön geschrieben steht: “It’s my flughafen, and I rave if I want to.”
Geravet wurde dann vor vier Bühnen, zwei davon in ehemaligen Hangars des Flughafens. Leider ist der Sound in diesen stellenweise arg dumpf und breiig, womit unter anderem Kate Nash am Freitag und The Soundtrack Of Our Lives am Samstag zu kämpfen haben. Der britische Sänger Michael Kinawuka hat diese Probleme am Freitag nicht und zelebriert seinen warmen Soul-Sound auf der Mainstage zu den letzten Sommerstrahlen des Tages. Wenig später dann setzt der Sprühregen ausgerechnet zum Gitarrenfeedback von Tocotronic ein, die immer noch Teil einer Jugendbewegung sein wollen und auf neue Songs ganz verzichten. Den erwarteten Bombast liefern anschließend Sigur Rós, um die Bühne dann für The Killers und ihre Las-Vegas-Show frei zu machen. Goldener Sprühregen und “Forever Young”-Cover inklusive.
Mad Max und burlesker Kindergeburtstag
Oh je, die Aufzeichnungen werden jetzt aber fies verschmiert. Ein bisschen was kann man aber noch entziffern. Da wären noch Bonaparte, die ihre übliche Nummernrevue zwischen Mad Max und burlesken Kindergeburtstag abziehen. Wahrscheinlich stellt meine Mutter sich so Berlin vor. Iamamiwhoami (aka Jonna Lee) lässt ihre Bandmitglieder in Tennis-Outfits auf die Bühne, während sie zum Synthie-Sound abwechselnd im weißen Catsuit und im Yeti-Fell über die Bühne wirbelt. Beendet wird das Festival von Paul Kalkbrenner, für den das hier ein Heimspiel ist und der dementsprechend gefeiert wird. Jetzt wird es wirklich unleserlich… was ist das nur für ein ekliges, klebriges Zeug? Egal. Danke, Berlin!
Florian Tomaszewski